Liebe Mitglieder und Freunde des Schutzbundes!
In einer mittelgroßen, süddeutschen Stadt spannen
sich Transparente quer über einige Hauptstraßen.
„Bildschirme raus aus Kinderzimmern!“ kann man
darauf in lustig bunten Buchstaben lesen. Ein Blickfang, der
mich sofort fesselt, denn die Aussage ist mir aus dem Herzen
gesprochen. Kann ich doch täglich bei meinen Enkelkindern
erleben, wie sich Bildschirme, PC’s, „Gameboys“
usw. mit unwiderstehlicher Gewalt in den Kinderzimmern einnisten.
„Bildschirme raus!“- Wieso das denn? Sie gehören
zu unserem Alltag, wir nutzen sie bei der Arbeit, sehen die
Tagesschau, holen uns Informationen aus dem Internet und speichern
unsere Fotos auf DVD. Alles im grünen Bereich, oder?
Doch die Medaille hat zwei Seiten, und die zweite Seite haben
wir viel zu lange übersehen.
Ein Bildungsproblem
Wir haben einen beträchtlichen Bevölkerungsanteil,
Deutsche wie Zuwanderer, ohne Bildungsstreben. Fehlendes Bildungsstreben
bedingt schlechte Chancen auf dem Arbeitsmarkt, schlechte
Chancen führen zu Armut, Armut führt zu Selbstaufgabe,
und die mündet wieder in fehlendes Bildungsstreben. Mit
jeder Generation beginnt ein neuer Teufelskreis, und wenn
wir nichts tun, braut sich da ein brisanter sozialer Zündstoff
zusammen.
Wir müssen diesen Teufelskreis durchbrechen, müssen
das Weiterreichen von Chancenlosigkeit unterbinden, und zwar
in möglichst früher Kindheit, denn schon bei Jugendlichen
sind Verhaltensänderungen kaum noch möglich.
Sprachlosigkeit ist die Ursache vieler Übel
Diese Bildungsferne hängt eng mit jener Sprachlosigkeit
zusammen, die aus exzessiver Mediennutzung entsteht. Wo ständig
der Fernseher läuft, wo Jugendliche sich vor ihren Spielen
einkapseln, wo der Fernseher das „Babysitting“
übernimmt, da wird in den Familien nicht mehr geredet.
Wer aber ohne Sprache aufwächst, ohne Kommunikation,
erleidet tiefgreifende Entwicklungsstörungen. Und das
wirkt sich vielfältig aus.
Folgen für Familie und Kinder:
- die Familie bricht auseinander
- sie vermittelt keine Wärme mehr
- ohne Wärme keine Liebe
- ohne Liebe kein Mitempfinden,
die Kinder verrohen. Kinder und Jugendliche, die so aufwachsen,
verarmen seelisch in vielerlei Hinsicht, nicht nur sprachlich.
Viele für ihre Entwicklung wichtige Elemente werden ihnen
vorenthalten, weil Bildschirme die Realität nur vortäuschen,
nicht aber darstellen. Und noch etwas: Die Kinder verarmen
an Fantasie!
Folgen für die Gesellschaft:
Wer so aufwächst, kann sich auch in der Gesellschaft
nicht mitteilen, wer sich nicht ausdrücken kann, schlägt
zu!
Statistiken zeigen, daß mit zwei Stunden täglich
vor dem Bildschirm ein Abitur kaum noch möglich ist,
und daß vier Stunden (keine Seltenheit!) den Notendurchschnitt
um eine ganze Ziffer senken. Selbst Hauptschulabschlüsse
sind damit kaum noch zu schaffen.
Das kümmert niemanden
Das weiß man schon lange, aber es scheint niemanden
zu kümmern. Die Gesellschaft nimmt die ausufernden Medien
als gegeben hin, und die Gewaltexzesse Jugendlicher werden
zwar mit den Medien in Verbindung gebracht, aber nur mit Gewaltfilmen
und –spielen. Die viel weiter reichenden Folgen des
Abtauchens aus der realen in die virtuelle Welt werden nicht
wahrgenommen.
Nicht anders die Politiker. Es scheint, als wollten sie das
Problem nicht sehen. Versuche, das Thema „Sprachlosigkeit“
bei Ministerien und Abgeordneten anzusprechen, laufen ins
Leere und werden mit „Was tun wir nicht schon alles….!
beantwortet. Der einzige Politiker, der sich einmal für
einen fernsehfreien Tag einsetzte, war Helmut Schmidt –
vor 25 Jahren.
Was soll geschehen?
Es ist nicht damit geschehen, den Bildschirmkonsum einzuschränken.
Der negativen Aufforderung „Bildschirme raus“!
muß eine positive Aufforderung an die Eltern folgen:
„Kick mit mir! Das fände ich Klasse! – Lache
mit mir! So oft es geht!- Schmuse mit mir! Immer wieder! –
Lobe mich! So oft Du kannst! – Rede mit mir! Viel! -
Spiel mit mir! Oft!- Lies mir vor! Was Spannendes! –
Erklär mir die Welt! Alles, was Du weißt! –
Schalte mal ab! Ich tu’s dann auch!“
Die Kinder sind es oft gar nicht mehr gewohnt, daß die
Eltern Zeit für sie haben, und die Eltern müssen
es oft erst lernen, sich den Kindern zu widmen. Dazu gehört
Verzicht auf manche liebe Gewohnheit, und dazu gehört
Fantasie, um sich in die Kinder hineinzudenken.
Aber es läßt sich lernen und allmählich macht
es Freude. Und es verleiht die beruhigende Gewißheit,
daß man den Kindern etwas Wertvolles bietet, denn:
Bildschirmgucker werden eher krank, weil Bewegungsmangel
zu Übergewicht führt, zu Diabetes und Schäden
am Herz-Kreislaufsystem, virtuelles Spielen kann zu einer
krankhaften Sucht werden, wer Gewaltvideos sieht oder aktiv
Killerspiele spielt, schlägt rascher zu!
Vielleicht mußten der Amoklauf von Winnenden
und die anderen schrecklichen Bluttaten von Kindern (!) kommen,
um die Eltern zur Besinnung zu bringen!
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